Wo Kino am größten ist

Blätternder Lack, rostiges Wellblech, wetterfestes Plastikmobiliar – der glamouröse Charme verbleicht. Seit vier Jahrzehnten. Seit Video, Fernsehen und Sommerzeit. Seitdem ist das Autokino eine vom Aussterben bedrohte Rasse, der Niedergang programmiert. Doch das Autokino überlebt – Multiplex-Palästen und Home Entertainment zum Trotz.

Im Niemandsland zwischen Essen-Bergeborbeck und Bottrop, zwischen Industriegebiet, Georg-Melches-Stadion und Emscher behauptet sich seit 1970 das Autokino Drive In. 540 Quadratmeter misst die Leinwand und mehr als 1.000 Fahrzeuge passen auf den Parkplatz.

Heimvideos und Sommerzeit: Autokino-Gäste bleiben weg

„Zuerst mit der Verbreitung des Fernsehens und dann mit der Beliebtheit von Heimvideos nahmen die Besucherzahlen in den 1970er-Jahren konsequent ab“, sagt Betreiber Walter H. Jann. „Schließlich hat es uns die Einführung der Sommerzeit 1977 schwer gemacht zu überleben.“ Sex-Filmchen in Mitternachtsvorstellungen sollten in den siebziger Jahren den Verfall wirtschaftlich abfedern, was das Autokino aber schnell in die Schmuddelecke trieb und den Niedergang eher beschleunigte.

Auto- und Trödelmärkte halten Autokino am Laufen

Fünf deutsche Autokinos in den Ballungsräumen München, Stuttgart, Frankfurt, Köln und Essen laufen heute unter der Regie von Walter H. Jann. Dabei waren es mal knapp 30. Die Kinos zu unterhalten wäre heute nicht möglich, wenn nicht Auto- und Trödelmärkte eine Zweitverwertung zulassen würden, etwa mit dem größten freien Gebrauchtwagenmarkt Deutschlands. Schon seit 40 Jahren stehen zwischen 6 und 17 Uhr in Essen-Bergeborbeck jeden Samstag bis zu 1.500 Gebrauchtwagen zum Verkauf. „Das hält uns am Leben“, sagt Walter H. Jann. „Das ist eine Symbiose, die wir eingehen müssen. Denn so eine Riesenfläche von 50.000 Quadratmetern muss erstmal unterhalten werden. Wenn die Nebenveranstaltungen funktionieren, funktioniert der Betrieb der Kinos auch zukünftig.“

Nostalgiker, Autofreaks und Moviefans halten die Treue

Doch die wirklichen Fans kommen ausreichend. 25.000 bis 30.000 im Jahr. Eine feste Anhängerschaft aus 50er-Jahre-Nostalgikern, Autofreaks und Moviefans, die dem Kino die Treue halten – in Sonderveranstaltungen, etwa mit The Fast and the Furious-Fantreffen oder Drive in Movie Nights. „Wir sind eben Kult“, sagt Walter H. Jann. „Das schafft kein Multiplex.“

Bericht erschienen 2011 auf labkultur.tv

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