Herr über die Bibel des Metal

Götz Kühnemund hat das letzte Wort. Denn er ist Herr über die Schriften der Bibel des Metal. Götz Kühnemund leitet die Redaktion der wichtigsten und ältesten europäischen Institution des Heavy Metal: das Magazin Rock Hard – das Magazin für den mündigen Rockfan.

Was in Dortmund produziert und monatlich von vielen tausend Fans gelesen wird, entscheidet maßgeblich Götz Kühnemund. Und das seit mehr als 20 Jahren. Das Besondere daran, sagt der Chefredakteur: „Wir sind das einzige unabhängige Rockmagazin in Europa und im Kern immer noch ein Fanzine.“ Fanzine von Fans für Fans. Damit begann der Siegeszug des Metal- und Hardrock-Magazins: mit kopierten Ausgaben in minimaler Auflage, zusammengestellt mit maximaler Leidenschaft. 1983 war das.

„Wir waren 16 Jahre alt – und Fans. Mehr nicht. Dass unsere Leidenschaft für mehrere von uns zum Beruf und aus dem Fanzine eine Zeitschrift wurde, von der man leben kann, war nicht vorauszusehen.“ Es war die Leidenschaft zur Musik, die Götz Kühnemund aus der Lüdinghauser Provinz in Dortmund festhielt. „Mein Beruf ist eine Lebenseinstellung. Metal ist eine Lebenseinstellung.“ Die verkörpert Götz Kühnemund stilecht mit schwarzer Lederkleidung und Ohrringen, aber in einer angenehm umgänglichen, fast bescheidenen Weise. Dabei saß der 44-Jährige im Interview schon den schwersten Geschützen der Szene gegenüber: MotörheadIron MaidenJudas Priest.

„HEAVY METAL HAT EINEN FREIGEISTIGEN ANSPRUCH“

„Metaller sind keine martialischen Machos, wie es das Klischee will,“ klärt er auf. „Wie überall gibt es Scheinheiligkeit, aber zum Großteil folgt die Szene einem freigeistigen Anspruch und behält sich ein rebellisches Potential. Heavy Metal ist eine authentische Bewegung mit authentischen und individuellen Typen.“

Dennoch ist Heavy Metal schon lange keine Randerscheinung mehr: Bands schwimmen im Mainstream statt in der Subkultur. Die australische Hardrockband AC/DC etwa hat bisher mehr als 200 Millionen Alben verkauft. Das Album Back in Black ist mit 42 Millionen Kopien das zweitbeste jemals verkaufte weltweit – nach Michael Jacksons Thriller. Es ist eben eine große, umfassende Szene, gibt Götz Kühnemund zu, die führe zu den Toten Hosen und Metallica, aber auch zu Subgenres wie Death-, Thrash- oder Progressive Metal. „Es gibt alle Formen und Vermischungen. Allen Richtungen aber gemein ist, dass sie aus gitarrenorientierter, handgemachter, ehrlicher Musik bestehen.“

„WIR SIND UNABHÄNGIG – DAS IST UNSER GROSSES PLUS“

Es ist eine langlebige, zeitlose Szene und eine, die sich nicht vereinnahmen lässt – wie sich auch am Rock Hard festmachen lässt. „Es gab einige Übernahmeangebote. Doch unsere größte Stärke war immer, dass wir unabhängig und uns selbst treu geblieben sind. Wir waren immer frei von einem Verleger, der meint, der Redaktion erzählen zu müssen, welche Bands und Themen im Heft zu platzieren sind. Und damit sind wir auch allen anderen europäischen Rockmagazinen voraus. Denn hinter all denen stehen Verlage, die natürlich Erwartungen haben. Diesen Interessenskonflikten waren wir nie ausgesetzt. Wir sind unabhängig. Das ist unser großes Plus.“

Auch in Bezug auf die inhaltliche Qualität, so ist Götz Kühnemund überzeugt, toppt Rock Hard die Musikzeitschrift Rolling Stone, dessen Autoren stets höchstes journalistisches Niveau bescheinigt wird. „Wir sind hochwertiger. Wir haben die besten Schreiber: Michael Rensen oder Boris Kaiser zum Beispiel. Die sind einzigartig.“

Seit 2003 veranstaltet Rock Hard das gleichnamige Festival im Amphitheater Gelsenkirchen, das sich mittlerweile in der Szene einen Namen gemacht hat. Der Ort ist nicht zufällig gewählt, schließlich stammen Bands wie Kreator, Sodom, Rage oder Grave Digger wie auch Rock Hard aus dem Revier.

„IM RUHRGEBIET GIBT’S EINE STARKE METAL-SZENE“

Der Szene im Ruhrgebiet misst Götz Kühnemund daher auch eine große Bedeutung bei: „Im Ruhrpott gibt’s eine starke Metal-Szene. Die gab es immer schon. Ähnlich wie in Hamburg oder im Stuttgarter Raum. Aber hier ist ein Ballungszentrum. Jede Ruhrgebietsstadt hat ihre Treffpunkte, Konzertlocations, Rockdiscos, wie das turock und die Zeche Carl in Essen, die Zeche und die Matrix in Bochum, das FZW und die Rockkneipe Die Burg in Dortmund.“

Aber speziell Dortmund bietet neben seiner Metal-Szene eine weitere ausnehmende Besonderheit: Visions, das Magazin für alternative Musik. „Das ist etwas ganz Besonderes: Die zwei wichtigsten Musikmagazine der deutschen Medienlandschaft, zudem unabhängig, stammen aus Dortmund.“

Auch wenn die Musikwirtschaft im Ruhrgebiet einer der kommerziell erfolgreichsten Zweige des hiesigen Kulturbetriebs ist und eine große Rolle spielt, findet die Rockmusik in der Kulturhauptstadt keinen Platz. „Rein kommerziell betrachtet“, fragt Götz Kühnemund rhetorisch, „wo kommen denn 100.000 Leute zusammen, wenn nicht bei einem Rockkonzert? Im Theater wohl kaum. Aber die Tickets werden dennoch nicht subventioniert wie beim Theater. Ebenso wenig Proberäume im Gegensatz zum einem Konzerthaus Dortmund. Die Rockmusik wurde noch nie gefördert. Aber das macht sie autark: Wenn du von niemandem Gelder kriegst, schuldest du auch niemandem was. Vor allem keine Rechenschaft.“

Interview erschienen 2013 auf labkultur.tv

Schlagwörter

Interview · Journalismus

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